Nikodemus-Evangelium
(Pilatusakten)
mit
der "Höllenfahrt" Christi, der Befreiung Adams und der Fesselung des
Satans
Pilatusakten
Prolog:
Ich, Ananias, Leibgardist mit Offiziersrang,
bibelkundig, erkannte aus der heiligen Schrift, an die ich gläubigen Herzens
herantrat, daß Jesus Christus unser Herr ist, und wurde auch der heiligen Taufe
für würdig befunden. Da ich nun auch nach den seinerzeit aufgesetzt-en
Prozeßakten unseres Herrn Jesus Christi forschte <und
nach dem> was die Juden unter Pontius Pilatus schriftlich niederlegten, so
fand ich diese Akte in hebräischer Sprache und übersetzte sie nach Gottes
Willen ins Griechische zur Kenntnisnahme für alle, die den Namen unseres Herrn
Jesus Christus anrufen, im 18. Jahre der Regierung unseres Kaisers Flavius
Theodosius und im 5. Jahre des Nobilissimats des
Flavius Valentinianus, in der 9. Indiktion.
Alle, die ihr das leset und abschreibet, gedenket mein
und betet für mich, damit Gott mir gnädig sei und mir das, was ich gegen ihn
gesündigt habe, gütig verzeihe. Friede allen, die es lesen und hören, und ihren
Hausgenossen. Amen.
Im 19. Regierungsjahr des römischen
Kaisers Tiberius, als Herodes König von Galiläa war, im 19. Jahre seiner
Herrschaft, am 8. Tage vor den Kalenden des April
oder am 25. März, unter dem Konsulate des Rufus und Rubellio,
im 4. Jahre der 202. Olympiade, unter dem jüdischen Hohenpriester Joseph Kaiphas.
Was Nikodemus nach der Passion des Herrn
am Kreuze über das Vorgehen der Hohenpriester und der übrigen Juden
festgestellt und überliefert hat – es hat aber derselbe Nikodemus seine Feststellungen
in hebräischer Sprache zusammengestellt –, das lautet ungefähr folgendermaßen:
I. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten
Annas und Kaiphas, Semes, Dathaes und Gamaliel, Judas, Levi
und Nephthalim, Alexander und Jairus und die übrigen
Juden hielten nämlich eine Ratssitzung ab und kamen dann zu Pilatus, um Jesus
wegen vieler Vergehen an-zuklagen. Sie erklärten: Wir
wissen, daß dieser der Sohn des Zimmermanns Joseph und von Maria geboren ist; trotzdem
behauptet er, er sei Gottes Sohn und ein König. Aber er schändet auch den
Sabbat und will unser väterliches Gesetz abschaffen. Pilatus entgegnete: Was
tut er denn, daß er es abschaffen will? Darauf die Juden: Wir haben ein Gesetz,
am Sabbat solle man keinen heilen. Dieser aber hat Lahme, Bucklige, Ausgemergelte,
Blinde, Paralytiker und Besessene am Sabbat mit verwerflichen Mitteln geheilt.
Pilatus fragte sie: Mit welchen verwerflichen Mitteln? Sie entgegneten ihm: Er
ist ein Magier und vertreibt mit Hilfe Beelzebubs, des Herrschers der Teufel,
die bösen Geister, und alles ist ihm untertänig. Darauf Pilatus zu ihnen: Das
bedeutet nicht mit Hilfe eines un-reinen Geistes die Dämonen austreiben, sondern
mit Hilfe des Gottes Asklepios.
2. Da sagten die Juden zu Pilatus: Wir
bitten deine Hoheit, ihn vor deinen Richterstuhl zu stellen und zu verhören. Und
Pilatus rief sie näher heran und sprach: Saget mir! Wie kann ich als
Statthalter einen König verhören? Sie antworteten: Wir behaupten nicht, daß er
ein König ist, sondern daß er sich dafür ausgibt. Da rief Pilatus seinen Läufer
und sprach zu ihm: In rücksichtsvoller Weise soll Jesus vorgeführt werden. Der
Läufer aber ging hinaus, und da er ihn erkannte, bezeigte er ihm seine
Ehrfurcht. Er nahm ein Tuch, das er in seiner Hand hatte, breitete es auf dem
Boden aus und sprach zu ihm: Herr, wandle auf diesem und geh hinein. Denn es
ruft dich der Statthalter. Als aber die Juden sahen, was der Läufer tat, schrien sie gegen Pilatus und sagten: Weshalb hast du ihn
nicht von einem Herold holen lassen statt von dem Läufer? Denn der Läufer
erwies ihm, sobald er ihn erblickte, seine Ehrfurcht, und sein Tuch breitete er
auf der Erde aus und hieß ihn, wie einen König darauf wandeln.
3. Da rief Pilatus den Läufer zu sich und
sprach zu ihm: Weshalb hast du das getan und dein Tuch auf dem Boden
ausgebreitet und Jesus darauf wandeln lassen? Der Läufer antwortete ihm: Herr
Statthalter, als du mich nach Jerusalem zu Alexander schicktest, sah ich ihn
auf einem Esel sitzen, und die Kinder der Hebräer hielten Zweige in ihren Händen
und schrien; andere aber breiteten ihre Gewänd-er vor ihm aus, wobei sie ausriefen: Rette doch, der
du weilst in der Höhe! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!
4. Da schrien
die Juden den Läufer an: Die Kinder der Hebräer riefen doch auf hebräisch, woher weißt du's auf griechisch? Der Läufer
erwiderte: Ich fragte einen der Juden und sprach: Was ist das, was sie auf hebräisch rufen? Und jener verdolmetschte es mir. Da sagte
Pilatus zu ihnen: Was aber riefen sie auf hebräisch? Die
Juden antworteten: Hosanna merubrome baruchamma adonai5. (Richtig: hôschi'âhnâ'
bimrômin; barûch habbâ' <beschem> 'adônai.) Pilatus fragte weiter: Und das Hosanna usw., wie
wird das übersetzt? Die Juden erwiderten: Rette doch, der du in der Höhe
weilst! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Nun sprach Pilatus zu
ihnen: Wenn ihr die Äußerungen der Kinder bestätigt, worin hat dann der Läufer
gefehlt? Da verstummten sie. Der Statthalter aber wandte sich an den Läufer: Geh
hinaus und führe ihn herein, auf welche Art du willst! Da ging der Läufer
hinaus und verfuhr nach der vorigen Weise und sprach zu Jesus: Geh hinein! Der
Statthalter ruft dich.
5. Als nun Jesus hineinging, während die
Standartenträger die Standarten hielten, da verneigten sich die kaiserlichen
Brustbilder auf den Standarten und bezeigten Jesus ihre Ehrfurcht. Da aber die
Juden das Verhalten der Standarten sahen, wie sie sich neigten und Jesus ihre
Ehrfurcht bezeigten, da schrien sie überlaut gegen
die Standartenträger. Pilatus aber sprach zu ihnen: Staunt ihr nicht dar-über, wie die Kaiserbilder sich neigten und Jesus ihre
Ehrfurcht bezeigten? Darauf die Juden zu Pilatus: Wir sahen, wie die Standart-enträger diese senkten und ihm damit ihre
Ehrfurcht bezeigten. Da rief der Statthalter die Standartenträger und fragte sie:
Warum habt ihr das getan? Sie antworteten: Wir sind griechische Männer und im
Tempeldienst. Welchen Anlaß hatten wir also, ihn zu
verehren? Wir hielten die Kaiserbilder; diese aber neigten sich von sich aus
und verehrten ihn.
6. Daraufhin schlug Pilatus den
Synagogenvorstehern und den Ältesten des Volkes vor: Wählet recht kräftige
Männer zum Tragen der Standarten aus! Dann wollen wir sehen, ob die Bilder von
sich aus sich neigen. Da bestimmten die Ältesten der Juden zwölf recht kräftige
Männer und hießen sie je sechs die Standarten halten, und sie mußten vor dem Richterstuhl des Statthalters Aufstellung
nehmen. Pilatus aber sprach zum Läufer: Führe ihn aus dem Prätorium
hinaus und wieder herein, auf welche Art du willst! Und Jesus verließ mit dem
Läufer das Prätorium. Pilatus aber rief die
bisherigen Träger der Kaiserbilder und erklärte ihnen: Ich habe beim Heil des
Kaisers geschworen, wenn die Standarten beim Eintritt Jesu sich jetzt nicht verneigen,
daß ich dann euch die Köpfe werde ab-schneiden
lassen. Und der Statthalter befahl, Jesus solle zum zweitenmal
eintreten. Und der Läufer verfuhr wie vorher und forderte Jesus auf, auf das
Tuch zu treten. Dieser trat darauf und ging hinein. Und als er hineinging, da
neigten sich wieder die Standarten und bezeigten ihm ihre Verehrung.
II. Als Pilatus das sah,
geriet er in Furcht und wollte vom Richterstuhl aufstehen. Und während er noch
ans Aufstehen dachte, schickte seine Frau zu ihm und ließ sagen: Habe du nichts
mit diesem Gerechten zu tun! Denn ich habe in der Nacht viel seinetwegen aussteh-en müssen (Mt 27,19). Da
rief Pilatus alle Juden herbei, stand auf und sagte zu ihnen: Ihr wißt, daß meine Frau gottesfürchtig ist und eher mit euch dem
Judentum anhängt. Sie antworteten ihm: Ja, das wissen wir. Weiter sprach
Pilatus zu ihnen: Seht, da schickte meine Frau und ließ mir sagen: Habe du
nichts mit diesem Gerechten zu tun! Denn ich habe in der Nacht viel seinetwegen
ausstehen müssen. Darauf antworteten die Juden dem Pilatus: Haben wir dir nicht
gesagt, daß er ein Magier ist? Siehe, da hat er zu deiner Frau einen Traum
geschickt.
2. Pilatus aber ließ Jesus rufen und
sprach zu ihm: Was bezeugen diese wider dich? Sagst du nichts dazu? Jesus
entgegnete: Stünde es nicht in ihrer Macht, so würden sie nichts vorgebracht
haben. Denn jeder hat Macht über seinen Mund, zu reden Gutes und Böses. Da
sollen sie selbst zusehen.
3. Darauf griffen die Ältesten der Juden
ein und sprachen zu Jesus: Was sollen wir sehen? Erstens, daß du außerehelich
geboren bist. Zweitens, daß deine Geburt den Tod der Kindlein von Bethlehem
bedeutet hat, und drittens, daß dein Vater Joseph und deine Mutter Maria nach
Ägypten geflohen sind, weil sie bei den Leuten nichts galten.
4. Da erklärten einige der dabeistehenden
Juden, gewissenhafte Männer: Wir bestreiten, daß er aus einem vorehelichen
Verhältnis stammt; wir wissen, daß Joseph Maria geheiratet hat und keinerlei
Hurerei zu seiner Geburt geführt hat. Pilatus sprach daraufhin zu den Juden,
die uneheliche Abstammung behauptet hatten: Eure Aussage entspricht nicht der
Wahrheit; denn Vermählung hat stattge-funden, wie
eure eigenen Volksgenossen zugeben. Darauf Annas und Kaiphas
zu Pilatus: Wir, die ganze Volksmenge, schreien, daß er aus Hurerei stammt, und
finden keinen Glauben. Diese da sind Proselyten und Jünger von ihm. Und Pilatus
rief Annas und Kaiphas zu sich und fragte sie: Was
sind Proselyten? Sie antworteten: Solche wurden geboren als Kinder von Griechen
und sind jetzt Juden ge-worden. Da erklärten die,
welche bestritten hatten, daß er aus vorehelichem Verkehr stamme, nämlich
Lazarus, Astenus, Antonius, Jakobus, Amnes, Zeras, Samuel, Isaak, Phinees, Krispus, Agrippa und
Judas: Wir sind keine Proselyten, sondern Abkömmlinge von Juden und reden die
Wahrheit. Denn wir waren bei der Hochzeit von Joseph und Maria zugegen.
5. Pilatus rief nun diese zwölf Männer,
die seine uneheliche Geburt bestritten, heran und sprach zu ihnen: Ich nehme
euch einen Eid ab beim Heil des Kaisers, daß eure Aussage, er sei nicht
unehelich geboren, wahr ist. Da erklärten sie dem Pilatus: Wir haben ein Ge-setz, nicht zu schwören. Denn schwören ist Sünde. Sie
aber sollen beim Heil des Kaisers schwören, daß es sich nicht so verhält, wie
wir es sagten. Dann wollen wir des Todes sein. Pilatus wandte sich also an
Annas und Kaiphas: Wie, ihr antwortet nichts darauf? Annas
und Kaiphas aber erklärten dem Pilatus: Diesen zwölf
Männern wird geglaubt, er entstamme nicht der Hurerei. Wir aber, das ganze
Volk, schreien, er sei ein uneheliches Kind und ein Magier und werfe sich zum Sohn Gottes und König auf, aber man glaubt
uns nicht.
6. Und Pilatus schickte die ganze Menge
hinaus außer den zwölf Männern, die seine uneheliche Geburt bestritten, und
auch Jesus ließ er absondern. Jene aber fragte er: Aus welchem Grunde wollen
sie ihn töten? Sie antworteten dem Pilatus: Sie ereifern sich, weil er am
Sabbat heilt. Darauf Pilatus: Wegen eines guten Werkes wollen sie ihn töten? Sie
erwiderten ihm: Ja.
II. Und Pilatus wurde von
Zorn erfüllt, ging hinaus aus dem Prätorium und
sprach zu ihnen: Ich nehme den Sonnengott zum Zeugen, daß ich keine Schuld an
diesem Menschen finde. Antworteten die Juden und sprachen zum Statthalter: Wäre dieser
nicht ein Verbrech-er, so hätten wir ihn dir nicht
übergeben (Joh 18,30). Da sagte Pilatus: Nehmt ihr
ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz! Darauf die Juden zu Pilatus: Uns ist es
nicht erlaubt, jemanden zu töten (Job 18,31). Und Pilatus: Euch hat also Gott
verboten zu töten, mir aber erlaubt?
2. Und Pilatus ging wieder ins Prätorium, rief Jesus gesondert zu sich und fragte ihn: Du
bist der König der Juden? Jesus antwortete dem Pilatus: Fragst du das aus dir
selbst, oder haben andere dir das von mir gesagt? Pilatus entgegnete Jesus: Ich
bin doch kein Jude! Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überliefert.
Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Denn
wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener für mich streiten, damit
ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Reich nicht von hier.
Da sagte Pilatus zu ihm: Bist du also ein König? Jesus antwortete ihm: Du sagst
es, daß ich ein König bin. Denn dazu bin ich geboren und gekommen, damit jeder,
der aus der Wahrheit ist, meine Stimme höre. Darauf Pilatus: Was ist Wahrheit. Da
erwiderte ihm Jesus: Die Wahrheit stammt vom Himmel. Und Pilatus: Gibt es auf
Erden keine Wahr-heit? Darauf Jesus zu Pilatus: Du
siehst doch, wie die, welche die Wahrheit sagen, von den irdischen Machthabern
gerichtet werden.
IV. Und Pilatus ließ Jesus im Prätorium, ging hinaus zu den Juden und sprach zu ihnen: Ich
finde keine Schuld an ihm (Joh 18,38).
Da erklärten ihm die Juden: Er hat gesagt: Ich kann diesen Tempel zerstören und
ihn in drei Tagen wieder aufbauen (Mt 26,61).Darauf
Pilatus: Welchen Tempel? Die Juden: Den Salomon in 46 Jahren gebaut hat. Er
aber sagt, er zerstöre ihn und baue ihn wieder auf in drei Tagen. Da sprach
Pilatus zu ihnen: Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten. Da mögt ihr
zusehen! Die Juden erwiderten: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! (Mt 27,24f.).
2. Darauf rief Pilatus die Ältesten,
Priester und Leviten zu sich und sprach zu ihnen insgeheim: Handelt nicht so! Nichts,
dessen ihr ihn bezichtigt, ist des Todes würdig. Denn eure Anklage lautet auf
Krankenheilung und Sabbatschändung. Die Ältesten, Priester und Leviten
entgegneten: Wenn einer den Kaiser lästert, ist er des Todes schuldig oder
nicht? Pilatus: Er ist des Todes schuldig. Darauf die Juden zu Pilatus: Wenn
einer den Kaiser lästert, ist er des Todes schuldig, er aber hat Gott
gelästert.
3. Da hieß der Statthalter die Juden aus
dem Prätorium hinausgehen, rief Jesus zu sich und
sprach zu ihm: Was soll ich mit dir anfangen? Jesus antwortete dem Pilatus: Was
in deine Macht gegeben wurde. Pilatus: Inwiefern das? Jesus: Moses und die
Propheten haben meinen Tod und meine Auferstehung vorherverkündet. Die Juden
hatten gelauscht und es gehört und sagten zu Pilatus: Was hast du davon, diese
Lästerung anzuhören? Darauf Pilatus zu den Juden: Wenn diese Rede eine Lästerung
ist, so nehmt ihr ihn doch, führt ihn in eure Synagoge und richtet ihn nach
eurem Gesetz! (Joh 18,31). Die Juden entgegneten dem
Pilatus: In unserem Gesetz steht: Wenn ein Mensch sich gegen einen Menschen
verfehlt, so soll er 40 Schläge weniger einen erhalten, wer aber Gott lästert,
soll gesteinigt werden.
4. Da sagte Pilatus zu ihnen: Nehmt ihr
ihn doch und bestraft ihn nach eurem Belieben! Darauf die Juden zu Pilatus: Wir
wollen, daß er gekreuzigt werde. Pilatus: Er verdient den Kreuzestod nicht.
5. Der Statthalter schaute sich nun die
herumstehenden Massen der Juden an. Er sah, wie viele von den Juden weinten,
und sprach:
Nicht das ganze Volk will, daß er sterbe. Die Ältesten aber der Juden
erklärten: Deshalb sind wir, das ganze Volk, gekommen, damit er sterbe. Pilatus
zu den Juden: Weshalb soll er sterben? Die Juden: Weil er sich Sohn Gottes und
König genannt hat.
V. Da trat Nikodemus, ein Jude, vor den
Statthalter und sprach: Ich bitte, Verehrungswürdiger, mir wenige Worte zu
gestatten.
Pilatus entgegnete: Sprich! Darauf Nikodemus: Ich sprach zu den Ältesten,
Priestern, Leviten und dem ganzen Volke in der Synagoge: Was habt ihr mit
diesem Menschen vor? Dieser Mensch tut viele Zeichen und Wunder, wie sie keiner
getan hat noch tun wird. Lasset von ihm und plant nichts Böses gegen ihn! Wenn
die Zeichen, die er bewirkt, von Gott sind, so werden sie Bestand haben; sind
sie Menschenwerk, dann werden sie zunichte werden (Apg
5,3Sf). Denn auch Moses wirkte, von Gott gesandt, in Ägypten viele Wunder,
die Gott ihn vor Pharao, dem König von Ägypten, wirken hieß. Und es waren da
Diener Pharaos, Jannes und Jambres,
und diese wirkten auch nicht wenige von den Wundern, die Moses vollbracht
hatte, und die Ägypter hielten sie wie Götter, den Jannes
und den Jambres. Aber da die Zeichen, die sie
wirkten, nicht von Gott waren, gingen sie selbst und die, welche ihnen
glaubten, zugrunde. Und jetzt lasset ab von diesem Menschen! Denn er verdient
den Tod nicht.
2. Darauf die Juden zu Nikodemus: Du bist
ein Jünger von ihm geworden und trittst deshalb für ihn ein. Nikodemus
entgegnete ihnen:
Ist etwa auch der Statthalter sein Jünger geworden, so daß er deshalb für ihn
eintritt? Hat ihn nicht der Kaiser auf diesen hohen Platz gestellt? Da
ergrimmten die Juden und knirschten mit den Zähnen gegen Nikodemus. Pilatus
aber sprach zu ihnen: Warum knirscht ihr mit den Zähnen gegen ihn, wenn ihr die
Wahrheit hört? Darauf die Juden zu Nikodemus: Nimm dir seine Wahrheit, ergreif
seine Partei! Und Nikodemus: Wahrlich, es geschehe, wie ihr gesagt habt!
VI. Da eilte einer der Juden
herbei und bat den Statthalter ums Wort. Der Statthalter erwiderte: Wenn du etwas
sagen willst, so sage es. Der Jude aber sprach: Ich war 38 Jahre durch ein schmerzvolles
Leiden ans Bett gefesselt. Und als nun Jesus auftrat, da wurden viele Besessene
und an mancherlei Krankheiten Darniederliegende von
ihm geheilt. Und einige Jünglinge hatten Mitleid mit mir, hoben mich samt dem
Bett auf und trugen mich zu ihm. Und als Jesus mich sah, faßte
ihn Erbarmen, und er sprach zu mir: Nimm dein Bett und wandle! Und ich nahm
mein Bett und wandelte (Mk 2,1 f.; Joh 5,1ff.). Darauf die Juden zu Pilatus: Frage ihn,
welcher Tag es war, an dem er geheilt wurde. Der Geheilte erklärte: An einem
Sabbat. Die Juden: Haben wir dich nicht dahingehend unterrichtet, daß er am
Sabbat heilt und die Dämonen austreibt?
2. Und ein anderer Jude eilte herbei und
sprach: Ich wurde blind geboren, hörte wohl, wenn einer redete, sah aber sein
Gesicht nicht.
Und als Jesus vorbeiging, rief ich mit lauter Stimme: Habe Erbarmen mit mir, Sohn Davids! Und
er hatte Erbarmen mit mir, legte sein-e Hände auf
meine Augen, und ich konnte sogleich sehen (Mk
10,46ff.). Und ein anderer Jude eilte herbei und sagte: Ich war bucklig, und er
hat mich durch ein Wort gerade gemacht. Und wieder ein anderer sagte: Ich war
aussätzig, und durch ein Wort heilte er mich.
VII. Und ein Weib mit Namen Bernike (lat.: Veronika) schrie
von weitem und sagte: Ich litt am Blutfluß und berührte
den Saum seines Gewandes, und der Blutfluß, der zwölf
Jahre angedauert hatte, hörte auf (Mk 5,25ff.). Da
sagten die Juden: Wir haben ein Gesetz, ein Weib nicht zum Zeugnis zuzulassen.
VIII. Und andere, eine Menge Männer und
Frauen, schrien: Dieser Mensch ist ein Prophet, und
die Geister sind ihm untertänig.
Da sprach Pilatus zu denen, die gesagt hatten, die Geister seien ihm
untertänig: Weswegen sind nicht auch eure Lehrer ihm untertänig?
Sie antworteten dem Pilatus: Das wissen wir nicht. Andere sagten, er habe den
toten Lazarus nach vier Tagen aus dem Grabe aufer-weckt.
Da begann der Statthalter zu zittern und sagte zu der gesamten Menge der Juden:
Weshalb wollt ihr unschuldiges Blut vergießen?
IX. Und er rief den Nikodemus zu sich und
die zwölf Männer, die seine uneheliche Geburt bestritten hatten, und fragte
sie: Was soll ich tun? Das Volk wird aufrührerisch. Sie antworteten ihm: Wir
wissen es nicht. Sie selbst mögen zusehen. Wieder berief Pilatus die gesamte
Menge der Juden und sprach: Ihr kennt die Sitte, euch am Feste der ungesäuerten
Brote einen Gefangenen freizugeben. Ich habe nun im Gefängnis einen wegen
Mordes verurteilten, der Barabbas heißt, und diesen
Jesus, der vor euch steht, an dem ich keine Schuld finde. Welchen soll ich euch
freigeben? Die aber schrien: Den Barabbas!
Darauf Pilatus: Was soll ich nun mit Jesus tun, den man den Messias nennt? Die
Juden schrien: Er soll gekreuzigt werden (Mt 27,15ff.). Einige Juden aber antworteten: Du bist kein
Freund des Kaisers, wenn du diesen freiläßt (Joh 19,12). Denn er hat sich Sohn Gottes und König genannt.
Du willst also diesen zum Herrscher und nicht den Kaiser.
2. Da wurde Pilatus zornig und fuhr die
Juden an: Immer neigt euer Volk zum Aufruhr und zur Rebellion gegen eure Wohltäter.
Die Juden fragten: Welche Wohltäter? Pilatus erwiderte: Wie ich gehört habe,
hat euer Gott euch aus Ägypten weggeführt aus harter Knechtschaft und euch
wohlbehalten durchs Meer geleitet, als ob es trockenes Land gewesen wäre, und
in der Wüste ernährte er euch, gab euch Manna und Wachteln, tränkte euch mit
Wasser aus Felsen und gab euch das Gesetz. Und nach alledem erregtet ihr den
Zorn eures Gottes: Ihr wolltet ein gegossenes Kalb haben und erbittertet
dadurch euren Gott, und er wollte euch vernichten; und Moses flehte um Gnade
für euch, dadurch entgingt ihr dem Tode. Und jetzt bezichtigt ihr mich, daß ich
den Kaiser hasse.
3. Er stand auf vom Richterstuhl und
wollte weggehen. Da schrien die Juden: Wir kennen als
König nur den Kaiser und nicht den Jesus. Freilich die Weisen brachten ihm aus
dem Morgenland Geschenke, als ob er ein König wäre. Und als Herodes von den
Weisen hörte, daß ein König geboren wäre, da suchte er ihn, um ihn zu töten. Als
aber sein Vater Joseph das erfuhr, da nahm er ihn und seine Mutter, und sie flohen
nach Ägypten. Und als Herodes das hörte, da ließ er die Kinder der Hebräer,
soweit sie in Bethlehem geboren waren, umbringen.
4. Als Pilatus diese Worte hörte, bekam
er Angst. Und er gebot den Massen Schweigen, weil sie noch immer schrien, und fragte sie: Also dieser ist es, den Herodes
suchte? Die Juden antworteten: Ja, dieser ist es. Da nahm Pilatus Wasser, wusch
sich die Hände vor der Sonne und sagte: Ich bin unschuldig am Blute dieses
Gerechten. Da mögt ihr zusehen. Wiederum schrien die
Juden: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! (Mt
27,24f.). Da ließ Pilatus den Vorhang vor den Richterstuhl ziehen, auf dem er
saß, und sprach zu Jesus: Dein Volk hat dich der Anmaßung des Königsnamens
überführt. Daher habe ich entschieden, daß du entsprechend der Satzung der frommen
Kaiser zuerst gegeißelt und danach am Kreuze aufgehängt werdest in dem Garten,
wo du gefaßt wurdest. Und Dysmas
und Gestas, die beiden Missetäter, sollen mit dir
gekreuzigt werden.
X. Und Jesus verließ das Prätorium, und mit ihm die beiden Missetäter. Und als sie
an den vorgeschriebenen Ort kamen, entkleideten sie ihn und umgürteten ihn mit
einem linnenen Schurz und setzten ihm eine Dornenkrone aufs Haupt. Ebenso wie
ihn hingen sie die beiden Missetäter auf. Aber Jesus sprach: Vater, vergib
ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun (Lk 23,34).
Und die Soldaten verteilten seine Kleider untereinander. Und das Volk stand da
und schaute auf ihn. Und es verhöhnten ihn die Hohenpriester und mit ihnen die
Obersten, indem sie sagten: Anderen hat er geholfen, er helfe sich selbst! Wenn
er Gottes Sohn ist, steige er herab vom Kreuze! Es verspotteten ihn aber auch
die Soldaten, indem sie herantraten und ihm Essig mit Galle anboten und sagten:
Wenn du der König der Juden bist, so hilf dir selbst! (Lk
23,35ff.). Es hatte aber Pilatus nach der Urteilsverkündung den Befehl gegeben,
die ihm zur Last gelegte Schuld in griechischer, römischer und hebräischer Sprache
als Inschrift anzubringen entsprechend der jüdische Anklage, er sei König der
Juden (Joh 19,19ff.).
2. Einer von den gekreuzigten Missetätern
aber sprach zu ihm: Wenn du der Messias bist, dann rette dich und uns! Da griff
Dysmas ein und schalt ihn: Fürchtest du denn Gott gar
nicht, da das gleiche Urteil dich trifft? Und zwar uns mit Recht. Denn wir
empfangen die gerechte Vergeltung für unsere Taten. Dieser aber hat nichts
Böses getan. Und er wandte sich an Jesus: Herr, gedenke mein in deinem Reiche! Da
sprach Jesus zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im
Paradiese sein (Lk 23.39ff.).
XI. Und es war um die sechste Stunde, da
verbreitete sich Finsternis über die Erde bis zur neunten Stunde, da die Sonne
sich verdunk-elte. Und der Vorhang des Tempels riß
mitten durch. Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, baddach
ephkid ruel, (richtig: bejâdechâ aphkidh ruachi) was bedeutet: In deine Hände befehle ich meinen
Geist. Und nach diesen Worten gab er den Geist auf. Als aber der Hauptmann sah,
was geschah, pries er Gott und sprach: Dieser Mensch war ein Gerechter! Und die
ganzen Menschenmassen, die bei diesem Schauspiel dabei waren, schlugen, als sie
sahen, was geschah, an ihre Brust und kehrten um (Lk
23,4~8).
2. Der Hauptmann aber meldete dem
Statthalter das Geschehene. Als dieser und sein Weib das hörten, wurden sie von
großer Trauer erfaßt, und sie aßen nicht und tranken
nicht an jenem Tage. Pilatus aber ließ die Juden kommen und fragte sie: Habt
ihr gesehen, was geschah? Sie aber antworteten: Eine Sonnenfinsternis ist
eingetreten nach gewohnter Art.
3. Es hatten auch Bekannte von ihm in der
Ferne dabeigestanden und Frauen, die mit ihm von Galiläa gekommen waren und
dies sahen. Ein Mann aber mit Namen Joseph, ein Ratsherr aus der Stadt Arimathia, der auch auf das Reich Gottes wartete, dieser
ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Und er nahm ihn herab, wickelte
ihn in reine Leinwand und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch niemand
gelegen hatte (Lk 23,50 ff).
XII. Als die Juden hörten, daß Joseph um
den Leichnam gebeten hatte, da suchten sie ihn und die zwölf, welche Jesu
uneheliche Ge-burt bestritten hatten, und den
Nikodemus und viele andere, die vor Pilatus geeilt waren und seine guten Taten
kundgemacht hatten.
Da aber alle (anderen) sich verborgen hielten, kam ihnen nur Nikodemus zu
Gesicht, da er ein Amtsträger bei den Juden war. Und Nikodemus sprach zu ihnen:
Wie kommt es, daß ihr euch in der Synagoge versammelt habt? Die Juden
entgegneten ihm: Wie kommst du in die Synagoge? Du bist ja ein Vertrauter von
ihm, und in der zukünftigen Welt wird er dein Teilhaber sein. Darauf Nikodemus:
Wahrlich so sei es! In gleicher Weise kam nun auch Joseph und sprach zu ihnen: Weshalb
seid ihr aufgebracht gegen mich, weil ich um Jesu Leichnam gebeten habe? Seht,
in mein neues Grab habe ich ihn gelegt, nachdem ich ihn in reine Leinwand
gewickelt hatte, und dann wälzte ich einen Stein vor den Eingang der
Felshöhlung. Ihr habt nicht schön an dem Gerechten gehandelt, daß ihr keine
Reue empfunden habt ob seiner Kreuzigung, sondern ihn sogar mit einer Lanze
durchbohrt habt. Da packten die Juden den Joseph und befahlen, ihn in sichere
Verwahrung zu bringen bis zum ersten Tag der Woche. Sie erklärten ihm: Wisse,
daß die Stunde verbietet, dir etwas anzutun, denn der Sabbat bricht an. Wisse
aber auch, daß du nicht einmal eines Grabes wirst gewürdigt werden, sondern daß
wir dein Fleisch den Vögeln des Himmels vorwerfen werden. Joseph entgegnete:
Diese Rede klingt nach dem Prahlhans Goliath, der den lebendigen Gott und den
heiligen David schmähte. Es sprach doch Gott durch den Propheten: Mein ist die
Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr (Röm
12,19; vgl. 5Mos 32,35). Und jetzt hat der, welcher unbeschnitten am Leibe,
aber beschnitten am Herzen ist, Wasser genommen und sich angesichts der Sonne die
Hände gewaschen und erklärt: Ich bin unschuldig am Blute dieses Gerechten.
Ihr mögt zusehen! Und ihr entgegnetet dem Pilatus: Sein Blut komme über uns und
unsere Kinder (Mt 27,25). Und jetzt fürchte
ich, daß Gottes Zorn über euch und eure Kinder kommt, wie ihr es gesagt habt. Als
die Juden diese Worte hörten, da wurden sie erbittert in ihrem Herzen, sie
legten Hand an Joseph und packten ihn und schlossen ihn in einem fensterlosen
Bauwerk ein, und Wächter hatten an seiner Tür zu bleiben. Und sie verriegelten
die Tür des Bauwerks, in dem Joseph eingeschlossen war.
2. Am Sabbat aber verfügten die
Synagogenvorsteher, Priester und Leviten, daß am ersten Wochentag sich alle in
der Synagoge einzu-finden hätten. Und das ganze Volk
kam in aller Frühe, und man beriet in der Synagoge, welchen Todes man ihn (Joseph)
sterben lass-en solle. Als nun der Hohe Rat Platz
genommen hatte, da befahlen sie, ihn unter der schmählichsten Behandlung
vorzuführen. Und sie öffneten die Tür, fanden ihn aber nicht. Und das ganze
Volk entsetzte sich, und Bestürzung ergriff alle, weil sie die Siegel
unverletzt fanden und Kaiphas die Schlüssel
verwahrte. Und sie wagten nicht mehr Hand zu legen an die, welche vor Pilatus
für Jesus eingetret-en waren.
XIII. Während sie noch in der Synagoge
saßen und wegen des Joseph ihrem Staunen Ausdruck gaben, da kamen Leute von der
Wache welche die Juden von Pilatus zur Bewachung des Grabes Jesu erbeten
hatten, damit nicht etwa seine Jünger kämen und ihn stählen. Und die meldeten
den Synagogenvorstehern, Priestern und Leviten, was geschehen war: wie da ein
großes Erdbeben losbrach. Und wir sahen einen Engel vom Himmel herabsteigen, und
er wälzte den Stein von dem Eingang der Felshöhlung und setzte sich auf ihn, und
er glänzte wie der Schnee und der Blitz. Und wir gerieten in große Angst und lagen
da wie Tote (Mt 28,2 ff). Und wir hörten die Stimme
des Engels, wie er zu den Frauen sprach, die beim Grabe weilten: Fürchtet euch
nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus sucht, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier. Er wurde
auferweckt, wie er sagte. Kommt her und sehet den Ort, wo der Herr lag. Und
gehet gleich los und meldet seinen Jüngern, daß er von den Toten auferweckt
wurde und in Galiläa weilt (Mt 28,5 ff).
2. Da fragten die Juden: Mit was für
Frauen sprach er? Die Leute von der Wache antworteten: Wir wissen nicht, welche
es waren. Darauf die Juden: Zu welcher Stunde geschah es? Die Wachleute
erwiderten: Um Mitternacht. Die Juden weiter: Und weshalb habt ihr die Frauen
nicht ergriffen? Die Wachleute: Wir waren wie tot von der Furcht und glaubten,
wir würden das Licht des Tages nicht mehr erblicken; wie hätten wir sie da
festnehmen können? Da erklärten die Juden: So wahr der Herr lebt, wir glauben
euch nicht. Darauf die Wachleute zu den Juden: So viele Wunder habt ihr bei
diesem Menschen gesehen und nicht geglaubt; wie könnt ihr da uns glauben? Ihr
habt mit Fug geschworen: So wahr der Herr lebt. Denn jener lebt. Die Wachleute
fuhren fort: Wir haben gehört, daß ihr denjenigen, der um die Leiche Jesu bat,
eingesperrt habt, indem ihr die Tür versiegeltet, und daß ihr beim Öffnen ihn
nicht fandet. Gebt ihr uns also den Joseph, und wir werden euch den Jesus
geben. Darauf die Juden: Der Joseph ist in seine Heimatstadt gegangen. Und die
Wachleute zu den Juden: Und Jesus ist auferstanden, wie wir von dem Engel
gehört haben, und weilt in Galiläa.
3. Als die Juden diese Worte gehört
hatten, gerieten sie in große Furcht und sprachen: Daß
nur nicht dieser Bericht zu den Ohren der Leute kommt und alle dem Jesus
zufallen! Und die Juden faßten einen Beschluß, stifteten reichlich Geld und gaben es den Wachsold-aten mit dem Worten: Saget, daß, als ihr
schliefet, seine Jünger in der Nacht kamen und ihn stahlen. Und wenn der
Statthalter das hört, dann wollen wir ihm zureden und dafür sorgen, daß ihr
unbekümmert bleibt (Mt 28,12 ff).
XIV. Phinees
aber, ein Priester, und Adas, ein Lehrer, und Angaeus,
ein Levit, kamen von Galiläa nach Jerusalem und berichteten den Synagogenvorstehern,
Priestern und Leviten: Wir sahen Jesus mit seinen Jüngern auf dem Berge sitzen,
der Mamilch heißt. Und er befahl seinen Jüngern:
Gehet in die ganze Welt und verkündet allen Menschen: Wer glaubt und sich
taufen läßt, wird gerettet werden;
wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Denen aber, die glauben, werden
diese Wunderzeichen folgen: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben,
mit neuen Zungen reden, Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Todbringendes
trinken, wird es ihnen keineswegs schaden; auf Kranke werden sie ihre Hände legen, und diese
werden genesen (Mk 16,1~18). Während nun Jesus noch
zu seinen Jüngern sprach, sahen wir, wie er in den Himmel aufgenommen wurde.
2. Da sprachen die Ältesten, Priester und
Leviten: Gebt dem Gott Israels die Ehre und bekennet vor ihm, ob ihr wirklich
das gehört und gesehen habt, sowie ihr es geschildert habt. Da sprachen die
Berichterstatter: So wahr der Herr lebt, der Gott unserer Väter Abra-ham, Isaak und Jakob, das haben wir gehört, und wir
sahen, wie er in den Himmel aufgenommen wurde. Darauf die Ältesten, Priester
und Leviten: Kamt ihr, um uns diese Botschaft zu verkünden, oder kamt ihr, um
Gott euer Gebet darzubringen? Die aber antworteten: Um Gott unser Gebet
darzubringen. Da sprachen die Ältesten, Hohenpriester und Leviten zu ihnen: Wenn
ihr kamet, euer Gebet dar-zubringen,
wozu dann dieses dumme Geschwätz vor dem ganzen Volke? Darauf der Priester Phinees und der Lehrer Adas und der Levit Angaeus zu den Synagogenvorstehern, Priestern und Leviten: Wenn
die Worte, die wir sprachen über das, was wir hörten und sahen, Sünde sind,
sehet, wir stehen vor euch. Verfahrt mit uns, wie es euch in euren Augen gut
dünkt! Die aber nahmen das Gesetz und ließen sie schwören, keinem mehr diesen
Bericht zu geben; und sie gaben ihnen zu essen und zu trinken und schickten sie
aus der Stadt weg, nachdem sie ihnen Geld gegeben hatten und drei Männer als
Begleiter, und sie hießen sie sich bis nach Galiläa entfernen; und die zogen
los in Frieden.
3. Als aber jene Männer nach Galiläa
aufgebrochen waren, da versammelten sich die Hohenpriester, die
Synagogenvorsteher und die Ältesten in der Synagoge, verschlossen das Tor und
erhoben ein großes Wehklagen und sprachen: Wozu ist dieses Wunder in Israel
geschehen? Annas und Kaiphas aber sagten: Was regt
ihr euch auf? Weshalb weinet ihr? Oder wisset ihr nicht, daß seine Jünger den
Grabeswächtern reichlich Geld gaben, seinen Leichnam forttrugen
und sie belehrten, sie sollten sagen, ein Engel sei vom Himmel gestiegen und
habe den Stein vom Eingang des Grabes fortgewälzt? Die Priester und Ältesten
aber warfen ein: Es mag sein, daß die Jünger seinen Leichnam stahlen. Wie aber
kam die Seele wieder in den Leichnam, so daß Jesus jetzt in Galiläa weilt? Da
jene darauf nichts erwidern konnten, kamen sie mit Mühe schließlich darauf zu
sagen: Wir dürfen Unbeschnittenen nicht glauben.
XV. Da stand Nikodemus auf, trat vor den
Hohen Rat und sprach: Was ihr sagt, ist richtig. Volk des Herrn! Ihr wisset,
daß die Männer die von Galiläa kamen, gottesfürchtig und wohlhabend sind, daß
sie die Habsucht hassen, daß sie Männer des Friedens sind. Und sie haben unter
Eid erklärt: Wir haben Jesus auf dem Berge Mamilch
mit seinen Jüngern gesehen. Er lehrte sie, was ihr von ihnen gehört habt. Und
wir sahen, sagten sie, wie er in den Himmel aufgenommen wurde. Und keiner
fragte sie, in welcher Weise diese Aufnahme vor sich ging. Wie uns nämlich die
heilige Schrift belehrt, wurde auch Elias in den Himmel aufgenommen, und Elisäus schrie mit lauter Stimme, und Elias warf seinen
Schafpelz über Elisäus, und Elisäus
warf den Schafpelz des Elias auf den Jordan, ging hinüber und kam nach Jericho.
Und es begegneten ihm die Prophetenjünger und fragten: Elisäus,
wo ist dein Meister Elias?
Und er antwortete: Er ist in den Himmel aufgenommen worden. Jene aber sprachen
zu Elisäus: Hat ihn etwa ein Geist entrafft und auf einen der Berge geworfen? Wohlan, laßt uns unsere Schüler mit uns nehmen und ihn suchen! Und
sie überredeten den Elisäus, und er ging mit ihnen. Und
sie suchten ihn drei Tage, ohne ihn zu finden, und erkannten so, daß er
aufgenommen war (2Kön 2). Und jetzt höret auf mich, und lasset uns auf jeden
Berg Israels senden und nachsehen, ob nicht Christus etwa von einem Geist
emporgehoben und auf einen Berg geworfen wurde. Und allen gefiel dieser Vorschlag.
Und sie sandten auf jeden Berg Israels und suchten Jesus und fanden ihn nicht. Sie
fanden aber den Joseph in Arimathia und keiner wagte,
ihn festzunehmen.
2. Und sie meldeten den Ältesten,
Priestern und Leviten: Wir gingen rings auf jeden Berg Israels und fanden Jesus
nicht. Den Joseph aber fanden wir in Arimathia. Und
da sie von Joseph hörten, freuten sie sich und gaben dem Gott Israels die Ehre.
Und die Synago-genvorsteher, Priester und Leviten
veranstalteten eine Ratssitzung über die Frage, auf welche Weise sie mit Joseph
zusammentreffen könnten. Und sie nahmen eine Papyrusrolle und schrieben Joseph
folgendes: "Friede sei mit dir! Wir wissen, daß wir gegen Gott und gegen
dich gesündigt haben, und wir beteten zum Gott Israels, du möchtest dich dazu
herbeilassen, zu deinen Vätern und deinen Kind-ern zu
kommen, weil Kummer uns alle erfaßt hat. Denn als wir
die Tür öffneten, fanden wir dich nicht. Wir sind uns bewußt,
daß wir einen bösen Plan gegen dich geschmiedet haben; aber der Herr hat sich
deiner angenommen, und der Herr selbst hat unseren Anschlag gegen dich zunichte
gemacht, geehrter Vater Joseph."
3. Und sie wählten aus ganz Israel sieben
dem Joseph befreundete Männer, die auch Joseph selbst als Freunde anerkannte, und
es sprachen zu ihnen die Synagogenvorsteher, Priester und Leviten: Schauet zu!
Wenn er unseren Brief annimmt und liest, so wißt ihr,
daß er mit euch zu uns kommen wird. Liest er ihn aber nicht, so wißt ihr, daß er erbost ist auf uns. Dann verabschiedet
euch von ihm in Frieden und kehret zu uns zurück! Und sie segneten die Männer
und entließen sie. Nun gingen die Männer zu Joseph, grüßten ihn ehrerbietig und
sprachen zu ihm: Friede sei mit dir! Er erwiderte: Friede sei mit euch und ganz
Israel! Die aber gaben ihm die Brief-rolle. Joseph
nahm sie an, las und küßte den Brief, pries Gott und
sprach: Gepriesen sei Gott, der die Israeliten davor bewahrt hat, unschuldiges
Blut zu vergießen! Und gepriesen sei der Herr, der seinen Engel geschickt hat
und mir unter seinen Fittichen Schutz bot! Und er lud sie zu Tisch. Sie aßen
und tranken und legten sich dort zur Ruhe.
4. Früh am Morgen standen sie auf und
sprachen ihr Gebet. Und Joseph sattelte seine Eselin und brach mit den Männern
auf, und sie kamen zu der heiligen Stadt Jerusalem. Und das ganze Volk ging dem
Joseph entgegen und rief: Friede deinem Einzug! Er aber sprach zum ganzen
Volke: Friede sei mit euch! Und alle küßten ihn und
beteten mit Joseph und waren außer sich vor Freude, ihn zu sehen. Und Nikodemus
nahm ihn in seinem Hause auf und bewirtete ihn großartig, und er berief die
Ältesten, Priester und Leviten zu seinem Hause, und sie aßen und tranken
fröhlich mit Joseph. Und nach einem Lobgesang ging jeder in sein Haus; Joseph
aber blieb im Hause des Nikodemus.
5. Am nächsten Morgen – es war Rüsttag – kamen
die Synagogenvorsteher, Priester und Leviten in aller Frühe zum Hause des
Nikodemus. Nikodemus ging ihnen entgegen und sprach: Friede sei mit euch! Sie
antworteten: Friede sei mit dir und mit Joseph,
mit deinem ganzen Hause und mit dem ganzen Hause Josephs! Und er führte sie in
sein Haus. Und der ganze Hohe Rat nahm Platz, und Joseph saß zwischen Annas und
Kaiphas. Und keiner wagte ihn anzureden. Da nahm
Joseph das Wort: Weshalb habt ihr mich rufen lassen? Sie gaben dem Nikodemus
einen Wink, daß er Joseph antworte. Nikodemus öffnete seinen Mund und sprach zu
Joseph:
Mein Vater, du weißt, daß die hochgeehrten Lehrer,
Priester und Leviten von dir eine Auskunft wünschen. Joseph erwiderte: So frag-et! Da nahmen Annas und Kaiphas
das Gesetz und ließen Joseph schwören, indem sie sprachen: Gib dem Gott Israels
die Ehre und bekenne vor ihm! Denn auch Achar, vom
Propheten Josua in Eid genommen, schwor keinen Meineid, sondern bekannte ihm
alles und verbarg ihm nichts (Jos 7). So verbirg auch du uns nicht das Geringste!
Joseph erwiderte: Ich werde euch nichts verschweigen.
Da sprachen sie zu ihm: Wir waren sehr aufgebracht, als du um den Leichnam Jesu
batest, ihn in reine Leinwand wickeltest und ihn ins Grab legtest. Und deshalb sperrten
wir dich in ein fensterloses Bauwerk, verschlossen und versiegelten die Tür, und
Posten wacht-en da, wo du eingeschlossen warst. Und
am ersten Tage der Woche öffneten wir, fanden dich aber nicht und waren
peinlich berührt, und das ganze Volk Gottes geriet in Bestürzung, die bis gestern
andauerte. Und nun erzähle uns, was mit dir geschah!
6. Und Joseph erzählte: Am Rüsttag um die
zehnte Stunde sperrtet ihr mich ein. Und ich blieb so den ganzen Sabbat. Als
ich nun um Mitternacht dastand und betete, wurde das Gebäude, in das ihr mich
eingesperrt hattet, an den vier Ecken in die Höhe gehoben, und ich sah etwas
wie einen leuchtenden Blitz mit meinen Augen. Voller Furcht fiel ich zu Boden. Und
jemand faßte mich bei der Hand und richtete mich von
der Stelle, wo ich hingefallen war, auf, und etwas Feuchtes wie Wasser floß mir
vom Kopf bis zü den Füßen, und der Geruch von duftendem
Öl drang in meine Nase. Und er trocknete mein Gesicht, küßte
mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Joseph! Öffne deine Augen und sieh,
wer es ist, der mit dir spricht! Ich schlug die Augen auf und erblickte Jesus. Voller
Schrecken glaubte ich, ein Gespenst zu sehen, und sprach die zehn Gebote. Und
er sprach sie mit mir. Wie ihr nun genau wisset, entweicht ein Gespenst schleunigst,
wenn es einem begegnet und die zehn Gebote hört. Als ich also merkte, daß er
sie mit mir sprach, sagte ich zu ihm: Rabbi Elias! Er erklärte: Ich bin nicht
Elias. Und ich sprach zu ihm: Wer bist du, Herr? Er erwiderte: Ich bin Jesus,
dessen Leichnam du von Pilatus erbeten, den du in reine Leinwand gewickelt, auf
dessen Antlitz du ein Schweißtuch gelegt und den du in deinem neuen Felsengrab
beigesetzt hast, und dann hast du noch einen großen Stein vor den Eingang des
Grabes gewälzt. Da forderte ich den Redenden auf: Zeig mir den Ort, wo ich dich
hingelegt habe! Da trug er mich weg und zeigte mir den Ort, wo ich ihn
hingelegt hatte. Und das linnene Tuch lag dort und das Schweißtuch, das sein
Antlitz bedeckt hatte. Da erkannte ich, daß es Jesus war.
Und er faßte mich bei der Hand und stellte mich bei
verschlossenen Türen mitten in mein Haus, führte mich zu meinem Bett und sprach
zu mir: Friede sei mit dir! Dann küßte er mich und
sprach: Verlaß dein Haus nicht, bis vier Tage
verstrichen sind! Denn sieh, ich gehe zu meinen Brüdern nach Galiläa.
XVI. Als die Synagogenvorsteher, Priester
und Leviten diesen Bericht von Joseph gehört hatten, wurden sie wie Tote und
stürzten zu Boden und fasteten bis zur neunten Stunde. Da ermunterten Nikodemus
und Joseph Annas und Kaiphas sowie die Priester und
Leviten mit den Worten: Stehet auf und stellt euch auf eure Füße, genießet Brot und
stärket eure Seelen! Denn morgen ist der Sabbat des Herrn. Da standen sie auf,
beteten zu Gott, aßen und tranken und gingen dann ein jeder zu seinem Hause.
2. Am Sabbat aber hielten unsere Lehrer,
Priester und Leviten eine Sitzung, forschten untereinander und sprachen: Was
ist das für ein Zorn, der über uns kam? Wir kennen doch seinen Vater und seine
Mutter. Da sagte der Lehrer Levi: Ich weiß, daß seine Eltern gottes-fürchtige Leute sind und es am Gebet nicht fehlen
lassen und dreimal im Jahr den Zehnten entrichten. Und als Jesus geboren war,
trugen ihn seine Eltern hierhin und brachten Gott ihr Dankopfer und Brandopfer
dar. Und damals nahm ihn der große Lehrer Symeon in
seine Arme und sprach: Nun entlässest du deinen
Knecht, Herr, nach deinem Worte in Frieden: denn meine Augen haben dein Heil
gesehen, das du bereitet hast im Angesicht aller Völker, ein Licht zur
Offenbarung für die Heiden und zum Ruhme deines Volkes Israel. Und Symeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Ich
verkünde dir gute Botschaft betreffs dieses Kindes.
Und Maria entgegnete: Gutes, mein Herr? Und Symeon
sprach zu ihr: Gewiß! Siehe, dieser ist bestimmt zum
Fallen und Aufstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen
wird, und durch deine eigene Seele wird ein Schwert dringen, damit die Gedanken
vieler Herzen offenbar werden (Lk 2,2~35).
3. Da sprachen sie zum Lehrer Levi: Woher
weißt du das? Levi antwortete ihnen: Wisset ihr nicht, daß ich von ihm das
Gesetz lernte?
Darauf der Hohe Rat zu ihm: Wir wollen deinen Vater sehen. Und sie ließen
seinen Vater holen. Und als sie ihn befragten, sagte er ihnen: Weshalb habt ihr
meinem Sohne nicht geglaubt? Der selige und gerechte Symeon
lehrte ihn das Gesetz. Darauf der Hohe Rat: Rabbi Levi, ist wahr das Wort, das
du gesprochen hast? Er erwiderte: Es ist wahr. Da sprachen zueinander die
Synagogenvorsteher, Priester und Leviten: Wohlan, laßt
uns senden nach Galiläa zu den drei Männern, die kamen und erzählten, wie er
lehrte und in den Himmel aufgenommen wurde: sie sollen uns berichten, wie er
nach dem, was sie sahen, aufgenommen wurde. Und allen gefiel dieser Vorschlag. Und
sie entsandten die drei Männer, die schon einmal mit ihnen nach Galiläa
gegangen waren, und sprachen zu ihnen: Sagt dem Rabbi Adas und dem Rabbi Phinees und dem Rabbi Angaeus: Friede
sei mit euch und mit allen, die bei euch sind! Da eine wichtige Untersuchung im
Hohen Rat stattfindet, wurden wir zu euch gesandt, um euch nach diesem heiligen
Ort Jerusalem zu rufen.
4. Und die Männer zogen nach Galiläa und
fanden sie, wie sie dasaßen und das Gesetz studierten, und grüßten sie im
Frieden. Und es sprachen die galiläischen Männer zu den zu ihnen Gekommenen:
Friede sei ganz Israel! Diese erwiderten: Friede sei mit euch! Jene aber
sprachen wiederum zu ihnen: Weshalb seid ihr gekommen? Die Abgesandten
antworteten: Der Hohe Rat ruft euch in die heilige Stadt Jerusalem. Als die
Männer hörten, daß sie vom Hohen Rat gesucht würden, beteten sie zu Gott, setzten
sich zu Tisch mit den Männern und aßen und tranken. Dann standen sie auf und
zogen in Frieden nach Jerusalem.
5. Und am folgenden Tage hielt der Hohe
Rat in der Synagoge eine Sitzung ab. Und man befragte sie: Habt ihr wirklich
den Jesus auf dem Berge Mamilch sitzen sehen, wie er
seine elf Jünger lehrte? Und sahet ihr seine Aufnahme
in den Himmel? Da antworteten ihnen die Männer und sprachen: So wie wir seine
Aufnahme sahen, so haben wir sie auch hier berichtet.
6. Da sprach Annas: Trennt sie
voneinander, dann wollen wir sehen, ob ihre Berichte übereinstimmen. Und sie
trennten sie voneinand-er. Und sie riefen zuerst den
Adas und fragten ihn: Wie wurde nach deiner Beobachtung Jesus (in den Himmel)
aufgenommen? Adas antwortete: Während er noch auf dem Berge Mamilch
saß und seine Jünger lehrte, sahen wir, wie eine Wolke ihn und seine Jünger
überschattete. Und die Wolke führte ihn hinauf zum Himmel, seine Jünger aber
lagen auf ihrem Gesicht am Boden. Dann riefen sie den Priester Phinees und fragten auch ihn: Wie wurde nach deiner
Beobachtung Jesus (in den Himmel) aufgenommen? Und er be-richtete
in gleicher Weise. Und wiederum befragten sie den Angaeus,
und er berichtete das gleiche. Da sprachen die Mitglieder des Hohen Rates: Auf
die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin soll jede Sache entschieden werden
(5Mos 19,15). Der Lehrer Abuthem sagte: Es steht
geschrieben im Gesetz:
Enoch wandelte mit Gott und war nicht mehr da, denn
Gott hatte ihn hinweggenommen (1Mos 5,24). Der Lehrer
Jairus sagte: Auch vom Tode des heiligen Moses haben wir gehört und wissen
nicht, wie er starb. Denn es steht geschrieben im Gesetz des Herrn: Und es
starb Moses, so wie des Herrn Mund es bestimmt hatte, und kein Mensch bekam
Kenntnis von seinem Grabe bis auf den heutigen Tag (5Mos 34,Sf.). Und Rabbi
Levi sagte: Was bedeutet das, was Rabbi Symeon sagte,
als er Jesus sah: Sieh, dieser ist bestimmt zum Fallen und Aufstehen vieler in
Israel und zu seinem Zeichen, dem widersprochen wird? (Lk
2,34). Und Rabbi Isaak sagte: Es steht im Gesetz geschrieben: Sieh, ich sende
meinen Engel vor deinem Angesichte. Er wird vor dir hergehen, um dich auf jedem
guten Wege zu behüten. In ihm ist mein Name genannt (2Mos 23,20f).
7. Da sagten Annas und Kaiphas: Ihr habt das, was im Gesetz Moses geschrieben
steht, richtig angeführt, daß keiner den Tod Enochs
kennt und keiner den Tod des Moses genannt hat. Jesus aber hat sich vor Pilatus
verantworten müssen; wir sahen, wie er Backen-streiche
erhielt, wie man ihm ins Gesicht spie, daß die Soldaten ihm eine Dornenkrone
aufsetzten, daß er gegeißelt und von Pilatus verurteilt und dann auf der
Schädelstätte gekreuzigt wurde; man tränkte ihn mit Essig und Galle, und der
Soldat Longinus durchbohrte mit einer Lanze seine Seite. Unser verehrter Vater Joseph
bat um seinen Leichnam; wie er behauptet, ist Jesus auferstanden. Und die drei
Lehrer versichern: Wir sahen, wie er in den Himmel aufgenommen wurde. Und Rabbi
Levi führte zum Zeugnis für ihn die Worte Rabbi Symeons
an: Siehe, dieser ist bestimmt zum Fallen und Auferstehen vieler in Israel und
zu einem Zeichen, dem widersprochen wird (Lk 2,34). Nun
sprachen alle Lehrer zum ganzen Volk des Herrn: Wenn diese Lehre von Gott kam
und in euren Augen der Bewunderung wert ist, so solltest du doch wahrlich
wissen, Haus Jakobs, daß geschrieben steht: Verflucht ist jeder, der am Holze
hängt (5Mos 21,23). Und eine andere Schriftstelle lehrt: Götter, welche den
Himmel und die Erde nicht geschaffen haben, werden vergehen (Jer 10,11). Und es sprachen die Priester und Leviten
zueinander: Wenn man nach fünfzig Jahren Jesu noch gedenkt, dann wird er für
immer herrschen und ein neues Volk sich schaffen. Sodann schärften die
Synagogenvorsteher, Priester und Leviten ganz Israel ein: Verflucht der Mann,
der ein Werk von Menschenhand anbeten wird, aber verflucht auch der Mann, der
Geschöpfe neben dem Schöpfer anbeten wird. Und das Volk antwortete: Amen, Amen.
8. Und das ganze Volk pries Gott, den
Herrn, und sang: Gepriesen sei der Herr, der Ruhe und Frieden dem Volke Israel
gegeben hat gemäß allen seinen Verheißungen! Nicht ein Wort von all dem Guten,
das er seinem Knecht Moses in Aussicht stellte, ist unerfüllt ge-blieben. Möge Gott, unser Herr, mit uns sein, wie er es
war mit unseren Vätern! Möge er uns nicht verlassen! Möge er in uns nicht den
Willen ersterben lassen, unser Herz zu ihm zu neigen, immer auf seinen Wegen zu
wandeln, seine Gebote und Gesetze, die er unseren Vätern gab, zu achten. Und
der Herr wird König über die ganze Erde sein an jenem Tage. Und es wird dann
ein Gott sein und sein Name ein einziger, unser Herr und König. Er wird uns
retten. Niemand ist dir gleich, Herr. Du bist groß, Herr, und groß ist dein
Name. Heile uns, Herr, in deiner Kraft, und wir werden geheilt werden. Rette
uns, Herr, und wir werden gerettet werden. Denn wir sind dein Teil und Erbe. Nicht
wird der Herr sein Volk verlassen um seines großen Namens willen, weil der Herr
begonnen hat, uns zu seinem Volk zu machen. Nach diesem Lobgesang gingen alle
weg, ein jeder zu seinem Hause, indem sie Gott priesen. Denn sein ist die Ehre
für alle Ewigkeit! Amen!
Höllenfahrt Christi
I (XVII). Da sprach Joseph:
Was wundert ihr euch denn über die Auferweckung Jesu? Nicht sie ist zum Verwundern,
sondern viel-mehr die Tatsache, daß er nicht allein
erweckt wurde, sondern daß er noch viele andere Tote erweckt hat, die sich vielen
in Jerusalem gezeigt haben. Und wenn ihr die anderen bis jetzt nicht kennt, Symeon, der Jesus in seine Arme nahm, und seine zwei Söhne,
die Jesus hat auferstehen lassen, die sind euch doch inzwischen bekannt
geworden. Wir haben sie ja vor kurzem beerdigt. Jetzt aber kann man ihre Gräber
geöffnet und leer sehen, sie selbst aber sind lebendig und halten sich in Arimathia auf. Man entsandte also Leute, und diese fanden ihre
Gräber geöffnet und leer. Darauf sprach Joseph: Wir wollen nach Arimathia gehen und sie dort ausfindig machen.
2. Da standen die Hohenpriester Annas und
Kaiphas sowie Joseph, Nikodemus, Gamaliel
und andere mit ihnen auf und gingen nach Arimathia,
und sie fanden die von Joseph Genannten. Sie sprachen nun ihr Gebet und
begrüßten einander. Dann gingen sie mit ihnen nach Jerusalem und brachten sie
in die Synagoge, verriegelten dann die Tore, und die Hohenpriester legten das
Alte Testament der Juden in die Mitte und sprachen zu ihnen: Wir wollen, daß
ihr beim Gott Israels und bei Adonai schwört und
danach die Wahrheit sagt, wie ihr auferstanden seid und wer euch von den Toten
erweckt hat. Als die Auferstandenen das hörten, bezeichneten sie ihr Gesicht
mit dem Zeichen des Kreuzes und sprachen zu den Hohenpriestern:
Gebt uns Papier, Tinte und Schreibrohr! Man brachte es ihnen. Und sie schrieben
wie folgt:
II (XVIII). Herr Jesus Christus,
Auferstehung und Leben der Welt, gib uns die Gnade, daß wir deine Auferstehung
schildern dürfen und die Wunder, die du im Hades gewirkt hast! Wir weilten also
in der Unterwelt mit allen von Anfang der Welt an Verstorbenen. Zu
mitternächtlicher Stunde drang nun in die dortige Finsternis etwas wie
Sonnenlicht und glänzte, und Licht fiel auf uns alle, und wir sahen einander. Und
sogleich wurde unser Vater Abraham im Verein mit den Patriarchen und Propheten
von Freude erfüllt, und sie sprachen zueinander: Dieses Leuchten kommt von
einem großen Licht. Der Prophet Jesaja, der dort anwesend war, sprach: Dieses
Leuchten kommt vom Vater, Sohn und Heiligen Geist. Das habe ich prophezeit, als
ich noch lebte: Land Sabulon und Land Nephtalim, das Volk, das im Finstern sitzt, sieht ein großes
Licht (8,23; 9,1 )
2. Da trat in die Mitte ein anderer, ein
Asket aus der Wüste. Die Patriarchen fragten ihn: Wer bist du? Er antwortete:
Ich bin Johannes, der letzte der Propheten. Ich habe die Wege des Gottessohnes
geebnet und dem Volke Buße gepredigt zur Vergebung der Sünden. Und Gottes Sohn
kam zu mir. Als ich ihn von ferne sah, sprach ich zum Volke: Seht Gottes Lamm,
das die Sünden der Welt hinweg nimmt! (Joh 1,29). Und
mit meiner Hand taufte ich ihn im Jordan und sah den heiligen Geist wie eine
Taube auf ihn herabkommen und hörte auch die Stimme Gottvaters, der so sprach: Dieser
ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe (Mt 3,16f.). Und deshalb sandte er mich zu euch, damit ich
verkünde, daß der eingeborene Sohn Gottes hierher kommt, damit, wer an ihn
glaubt, gerettet, wer aber nicht an ihn glaubt, gerichtet werde. Deshalb sage
ich euch allen: Sowie ihr ihn sehet, betet ihn alle an! Denn nur jetzt habt ihr
Gelegenheit zur Buße dafür, daß ihr in der oberen eitlen Welt die Götzen
angebetet und daß ihr gesündigt habt. Zu anderer Zeit ist das unmöglich.
III (XIX). Als Johannes nun die Toten in
der Unterwelt so belehrte, da hörte das auch der Erstgeschaffene, der Urvater
Adam, und er sprach zu seinem Sohne Seth: Mein Sohn, ich wünsche, daß du den
Vorvätern des Menschengeschlechts und den Propheten erzählst, wohin ich dich
entsandte, als ich in eine tödliche Krankheit verfiel. Darauf sprach Seth: Propheten
und Patriarchen höret! Mein Vater Adam, der Erstgeschaffene, entsandte mich,
als er auf den Tod krank wurde, ganz in die Nähe des Tores zum Paradiese. Ich
sollte an Gott die Bitte richten, er möchte mich doch durch einen Engel zum Baum
des Erbarmens führen lassen, damit ich Öl nähme und meinen Vater damit salbte
und er so von der Krankheit aufstünde. Das tat ich denn auch. Und im Anschluß an mein Gebet kam ein Engel des Herrn und fragte
mich: Was wünschest du, Seth? Wünschest du wegen der Krankheit deines Vaters
das Öl, das die Kranken gesund macht oder den Baum, dem solches Öl entfließt? Beides kannst du jetzt nicht bekommen. Geh also
und sage deinem Vater, daß nach Verlauf von 5500 Jahren seit der Erschaffung
der Welt der menschgewordene eingeborene Sohn Gottes
unter die Erde steigen wird. Der wird ihn mit solchem Öl salben. Und er wird
auferstehen und ihn und seine Nachkommen mit Wasser und heiligem Geiste taufen.
Und dann wird er von jeglicher Krankheit geheilt werden. Jetzt aber ist das
unmöglich. Als die Patriarchen und Propheten das hörten, freuten sie sich sehr.
IV XX. Da nun alle in solcher Freude
waren, kam Satan, der Erbe der Finsternis, und sprach zu Hades: Unersättlicher,
Allesverschlin-ger, höre meine Worte! Da gibt es
einen aus dem Judenvolk, der Jesus heißt und sich Gottes Sohn nennt. Er ist
aber nur ein Mensch, und auf mein Betreiben hin haben ihn die Juden gekreuzigt.
Und da er jetzt tot ist, so sei in Bereitschaft, damit wir ihn hier einsperren.
Denn ich weiß, daß er (nur) ein Mensch ist, und ich habe ihn klagen hören: Meine
Seele ist betrübt bis an den Tod (Mt 26, 38). Er hat
mir viel Böses in der Welt droben angetan, als er mit den Sterblichen
zusammenlebte. Denn wo er immer meine Diener fand, trieb er sie aus, und alle
die Menschen, welche ich bucklig, blind, lahm, aussätzig und dergleichen mehr
gemacht hatte, die heilte er durch bloßes Wort, und viele, die ich reif gemacht
hatte, begraben zu werden, auch die machte er durch bloßes Wort wieder
lebendig.
2. Da sprach Hades: Also so mächtig ist
er, daß er durch bloßes Wort derartiges bewirkt? Kannst du ihm, der solches
vermag, denn widerstehen? Mich dünkt, einem solchen wird keiner widerstehen
können. Wenn du aber gehört zu haben behauptest, wie er den Tod fürchtete: solches
sprach er, indem er sein Spiel und seinen Spott mit dir trieb, entschlossen,
dich mit gewaltiger Hand zu packen.
Und dann wehe, wehe dir für alle Ewigkeit! Satan erwiderte: Allesverschlingender,
unersättlicher Hades, du bist in solche Angst geraten, da du von unserem
gemeinsamen Feind hörtest? Ich hatte keine Angst vor ihm, sondern wirkte auf
die Juden ein, und diese kreuzigten ihn und tränkten ihn mit Galle und Essig. Mache
dich also bereit, ihn, wenn er kommt, fest in deine Gewalt zu kriegen.
3. Hades antwortete: Erbe der Finsternis,
Sohn des Verderbens, Teufel, soeben hast du mir gesagt, er habe viele, die du
zum Begrab-enwerden reif machtest, durch bloßes Wort
wieder ins Leben zurückgerufen. Wenn er also andere vom Grabe befreite, wie und
mit welcher Macht wird er da von uns überwältigt werden können? Ich verschlang
vor kurzem einen Toten mit Namen Lazarus, und bald danach riß mir einer der
Lebenden durch bloßes Wort, mich vergewaltigend, diesen aus meinen Eingeweiden.
Ich nehme an, es ist der gleiche, von dem du sprichst. Wenn wir nun jenen hier
aufnehmen, dann setzen wir, fürchte ich, auch die übrigen aufs Spiel. Denn,
schau, ich sehe, wie alle, die ich von Weltbeginn an verschlang, in Unruhe geraten.
Ich habe Bauchgrimmen. Der mir vorweg entris-sene
Lazarus dünkt mich kein gutes Vorzeichen. Denn nicht wie ein Toter, wie ein Adler
flog er von mir weg. So schnell warf ihn die Erde heraus. Deshalb beschwöre ich
dich bei allem, was dir und mir wert ist, bring ihn nicht her! Denn ich glaube,
er kommt mit der Absicht hierher, alle Toten aufzuwecken. Und das sage ich dir:
Wahrlich bei dem Dunkel, das uns umgibt, bringst du ihn her, wird mir keiner
der Toten übrigbleiben.
V (XXI). Während Satan und Hades so
miteinander sprachen, ertönte wie Donner eine gewaltige Stimme: Öffnet, ihr
Herrscher, eure Tore, gehet auf ewige Pforten! Einziehen wird der König der
Herrlichkeit (Ps 23,7 LXX). Als Hades das hörte,
sprach er zu Satan: Geh hinaus, wenn du kannst, und tritt ihm entgegen! Satan
ging nun hinaus. Dann befahl Hades seinen Dienern: Verrammelt gut und kräftig
die ehernen Tore, schiebt die eisernen Querbalken vor, behaltet meine
Verschlüsse in der Gewalt, steht gerade und schaut nach allem! Denn kommt er
herein, wird Wehe über uns kommen.
2. Als die Vorväter das hörten, begannen
sie alle ihn zu verspotten. Sie sagten: Du Allesverschlinger,
du Unersättlicher, öffne, damit der König der Herrlichkeit einziehe! Der
Prophet David sprach: Weißt du nicht, du Blinder, daß ich, als ich noch in der
Welt lebte, einen solchen Ruf: 'Öffnet eure Tore, ihr Herrscher!' vorausgesagt
habe? (Ps 23,7). Jesaja sprach: Ich habe, erleuchtet
vom heiligen Geist, vorausgesehen und geschrieben: Die Toten werden
auferstehen, und die in den Gräbern werden auferweckt werden, freuen werden sich
die unter der Erde (26,19). Wo ist dein Stachel, Tod? Wo ist, Hades, dein Sieg?
(1Kor 15,55 aufgrund Jes 25,8).
3. Da erscholl
wieder die Stimme: Öffnet die Tore! Als Hades die Stimme zum zweitenmal hörte, verhielt er sich wie ein Ahnungs-loser
und fragte: Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Die Engel des Herrn
erwiderten: Ein mächtiger und gewaltiger Herr, ein Herr, machtvoll im Kriege! (Psalm
24). Und zugleich mit diesem Bescheid wurden die ehernen Tore zerschlagen
und die eisernen Querbal-ken zerbrochen und die
gefesselten Toten alle von ihren Banden gelöst und wir mit ihnen. Und es zog
ein der König der Herrlichkeit wie ein Mensch, und alle dunklen Winkel des
Hades wurden licht.
VI (XXII). Sofort schrie Hades: Wir
wurden besiegt, wehe uns! Aber wer bist du, der du solche Macht und Gewalt
hast? Und wer bist du, der du ohne Sünde hierhin gekommen bist? Der du klein erscheinst
und Großes vermagst, der du niedrig bist und hoch, Knecht und Herr, Krieger und
König, Gewalthaber über Tote und Lebendige? Ans Kreuz wurdest du genagelt und
ins Grab gelegt, und eben erst frei geworden, hast du unsere ganze Macht
zerbrochen. Bist du Jesus, von dem der Obersatrap Satan uns erzählte, du
solltest durch Kreuz und Tod die ganze Welt erben?
2. Da packte der König der Herrlichkeit den
Obersatrapen Satan am Kopfe und übergab ihn den Engeln mit den Worten: Mit Eisen-ketten fesselt ihm Hände und Füße, Hals und Mund! Dann
übergab er ihn Hades und sprach: Nimm ihn und halte ihn fest bis zu meiner
zweiten Ankunft!
VII (XXIII). Und Hades nahm Satan in
Empfang und sprach zu ihm: Beelzebub, Erbe des Feuers und der Pein, Feind der
Heiligen,
was zwang dich, den Kreuzestod des Königs der Herrlichkeit zu veranstalten, so
daß er hierhin kam und uns entmachtete? Wende dich um und schaue, daß kein Toter
bei mir zurückgeblieben ist und daß du alles, was du durch das Holz der
Erkenntnis gewonnen, durch das Holz des Kreuzes verloren hast! Deine ganze Freude
wurde in Trauer verkehrt. Indem du den König der Herrlichkeit töten woll-test, hast du dich selbst getötet. Denn nachdem ich
dich in sichere Verwahrung übernommen habe, wirst du durch Erfahrung belehrt
werden, welche Peinigungen ich gegen dich durchführen werde. O Erzteufel, o
Urheber des Todes, o Wurzel der Sünde, Ziel jeglicher Bosheit, was fandest du
Böses an Jesus, daß du umhergingst, ihn zu verderben? Wie konntest du es wagen,
solchen Frevel zu begeh-en? Wie konntest du darauf
ausgehen, einen solchen Menschen in diese Finsternis hinabzuführen und dich
durch ihn aller von Anbe-ginn an Verstorbenen
berauben zu lassen?
VIII (XXIV). Während Hades so
mit Satan sprach, streckte der König der Herrlichkeit seine rechte Hand aus, ergriff
den Urvater Adam und richtete ihn auf. Dann wandte er sich auch zu den übrigen
und sprach: Her zu mir alle, die ihr durch das Holz, nach dem dieser griff,
sterben mußtet! Denn seht, ich erwecke euch alle
wieder durch das Holz des Kreuzes. Darauf ließ er sie alle hinaus.
Und der Urvater Adam, dem man ansah, daß er voller Freude war, sprach: Ich
danke deiner Majestät, Herr, daß du mich aus der tief-sten
Unterwelt hinaufgeführt hast. Ebenso sprachen auch alle Propheten und Heiligen.
Wir danken dir, Christus, Heiland der Welt,
daß du unser Leben aus dem Verderben hinaufgeführt hast.
2. Als sie so gesprochen hatten, segnete
der Heiland den Adam, indem er das Kreuzeszeichen auf seine Stirn machte. Und
so tat er es auch bei den Patriarchen, Propheten, Märtyrern und Vorvätern. Dann
stieg er mit ihnen aus der Unterwelt empor. Während er ging, folgten ihm die
heiligen Väter und stimmten den Lobgesang an: gesegnet sei, der da kommt im
Namen des Herrn! Alleluja! (Ps 118,26). Ihm gebührt
Ehre und Lob von allen Heiligen. IX (XXV). Der Herr ging also zum Paradiese. Er
hielt den Urvater Adam bei der Hand und übergab ihn und alle Gerechten dem
Erzengel Michael. Als sie nun durch das Tor des Paradieses einzogen, kamen
ihnen zwei Greise entgegen. Die heiligen Väter fragten sie: Wer seid ihr, daß
ihr den Tod nicht gesehen habt und in den Hades nicht hinabgestiegen
seid, sondern mit Leib und Seele im Paradiese wohnet? Einer von ihnen antwortete:
Ich bin Enoch, der Gottes Wohlgefallen erwarb und von
ihm hierhin entrückt wurde. Und dieser ist der Thesbiter
Elias. Wir sollen leben bis ans Ende der Welt. Dann aber sollen wir von Gott
entsandt werden, damit wir dem Antichrist entgegentreten und von ihm getötet
werden. Und nach drei Tagen sollen wir wieder auferstehen und auf Wolken dem
Herrn entgegen entrafft werden. X (XXVI). Während sie
so miteinander sprachen, kam ein anderer, ein unscheinbarer Mensch, der auf
seiner Schulter ein Kreuz trug. Ihn fragten die heiligen Väter: Wer bist du,
der du das Aussehen eines Räubers hast, und was ist das für ein Kreuz, das du
auf der Schulter trägst? Er antwortete: Ich war, wie ihr vermutet, ein Räuber
und Dieb auf Erden, und deshalb faßten mich die Juden
und überlieferten mich mit unserem Herrn Jesus Christus dem Kreuzestode. Als er
nun am Kreuz hing, schaute ich die Wunder, die geschahen, und glaubte so an
ihn. Und ich rief ihn an und sprach: Herr, wenn du deine Herrschaft antrittst, dann
vergiß mich nicht! Und sogleich sprach er zu mir: Wahrlich!
Heute, sage ich dir, wirst du mit mir im Paradiese sein (Lk
23,43). Mein Kreuz tragend, kam ich also zum Paradiese, fand den Erzengel
Michael und sagte zu ihm: Unser Herr Jesus, der Gekreuzigte, hat mich
hergeschickt. Führe mich also zum Tor des Gartens Eden! Und da der Engel mit
dem blitzenden Schwert das Zeichen des Kreuzes sah, öffnete er mir, und ich
ging hinein. Dann sprach der Erzengel zu mir: Warte ein Weilchen! Denn auch
Adam, der Urvater des Menschengeschlechts, kommt mit den Gerechten, damit auch
sie hier eintreten. Und da ich euch jetzt sah, ging ich euch entgegen. Als die
Heiligen das hörten, riefen sie alle mit lauter Stimme: Groß ist unser Herr,
und groß ist seine Kraft!
XI (XXVII). Das alles sahen und hörten
wir zwei leiblichen Brüder, die wir auch vom Erzengel Michael abgesandt und beauftragt wurden, die Auferstehung des Herrn
zu verkünden, vorher aber zum Jordan zu gehen und uns taufen zu lassen. Dahin
gingen wir auch und empfingen mit den anderen auferstandenen Toten die Taufe. Danach
gingen wir auch nach Jerusalem und feierten dort das Passah der Auferstehung. Jetzt
aber gehen wir wieder weg, da wir hier nicht verweilen können. Und die Liebe
Gottes des Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die
Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! (2Kor 13,13). Das
schrieben sie, siegelten die Rollen und gaben die eine den Hohenpriestern,
die andere dem Joseph und dem Nikodemus. Und sofort waren sie verschwunden. Zur
Ehre unseres Herrn Jesu Christi!
Amen!